Bild Tierwohl bis zum letzten Flügelschlag

Tierwohl bis zum letzten Flügelschlag

KAGfreiland und das FiBL fördern die Hofschlachtung von Geflügel

Bild Tierwohl bis zum letzten Flügelschlag

Tierwohl bis zum letzten Flügelschlag

KAGfreiland und das FiBL fördern die Hofschlachtung von Geflügel

Mit einem gemeinsamen Projekt fördern KAGfreiland und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) schonende Schlachtmethoden für Geflügel

Die Hofschlachtung von Geflügel ist in der Schweiz noch eher unbekannt. Sie bietet allerdings die Möglichkeit, den Stress für die Tiere vor der Schlachtung zu reduzieren. Mit dem neuen Projekt soll sich die Hofschlachtung für Geflügel in der Schweiz etablieren.

Geflügel wie Legehennen, Mastpoulets oder Bruderhähne, welche geschlachtet werden, durchlaufen mehrere Etappen bis zur Schlachtung. Dazu gehören das Ausstallen der Tiere sowie das Verladen auf den LKW und der Transport zum Schlachtbetrieb. Diese Vorgänge verursachen Stress bei den Tieren. Die mobile Geflügelschlachtung bietet Landwirtschaftsbetrieben die Möglichkeit, ihre Tiere auf dem Hof zu schlachten. Der Transport fällt weg und der Stress kann reduziert werden.

Der Weg zum Schlachtbetrieb

Bei der konventionellen Schlachtung werden die Hühner in gestapelten Kisten mit einem LKW zum Schlachtbetrieb transportiert. Dazu werden die Tiere beim Ausstallen eingefangen und in die Transportkisten gepackt. In eine Kiste dürfen gemäss Tierschutzverordnung je nach Gewicht bis zu 18 Tiere gepackt werden. Da es in der Schweiz nur wenige Schlachtbetriebe für Geflügel gibt, müssen die Hühner oft über lange Strecken transportiert werden. Während dem Transport sind die Tiere mehreren Stressfaktoren wie Lärm, Erschütterung, Durchzug, Hitze oder Kälte ausgesetzt. Aufgrund von vorgeschriebenen Hygienemassnahmen erhalten die Hühner rund zehn Stunden vor dem Ausstallen kein Futter mehr. Dies verursacht zusätzlich Stress.

Hennen-Fleisch ist nicht Poulet-Fleisch

Sobald alte Legehennen ausgedient haben, wird der Bestand durch junge Hennen ersetzt. Da Legehennen für die Produktion von Eiern gezüchtet werden, ist ihr Fleisch nicht vergleichbar mit dem herkömmlichen Poulet-Fleisch von Masthühnern und muss daher anders zubereitet werden. Legehennen werden dazu häufig zu Suppenhühnern verarbeitet. Diese werden jedoch wenig konsumiert. Zudem wissen die wenigsten KonsumentInnen, dass in der Eierproduktion auch Fleisch anfällt. Aufgrund der kleinen Nachfrage für Hennen-Fleisch haben sich moderne Schlachtbetriebe nur noch auf die Zerlegung und Verarbeitung von Mastpoulets ausgerichtet. Somit haben Landwirtschaftsbetriebe nur wenig Möglichkeiten, ihre alten Hennen zu Fleisch zu verarbeiten und zu vermarkten. Ein Teil der Legehennen kann daher nicht in der Lebensmittelproduktion genutzt werden, sondern wird in der Biogasanlage verwertet.

Mobile Geflügelschlachtung

Seit dem Jahr 2020 ist es in der Schweiz gesetzlich möglich Geflügel auf dem Hof zu schlachten. Dies geschieht durch eine mobile Schlachtanlage. Die Anlage besteht aus einem Anhänger und enthält die gleiche Infrastruktur wie ein herkömmlicher Schlachtbetrieb. Der Dienstleister fährt mit dem Anhänger auf den Hof und schlachtet vor Ort das Geflügel fachgerecht. Für die Hofschlachtung werden die Tiere nur noch vom Stall zum Anhänger gebracht. Der Transport quer durch die Schweiz und die Wartezeiten im Schlachtbetrieb fallen weg. So können GeflügelhalterInnen sicherstellen, dass ihre Tiere schonend geschlachtet werden. Insbesondere für Betriebe, welche bisher ihre alten Legehennen aufgrund von fehlenden Schlachtbetrieben nicht schlachten konnten, bietet die mobile Geflügelschlachtung neue Möglichkeiten. So können die Hennen auf dem Hof geschlachtet und ihr Fleisch verwertet werden. Aktuell bieten zwei Unternehmen in der Schweiz die Hofschlachtung mit einer mobilen Schlachtanlage an. Daher wird bisher nur ein sehr kleiner Teil der Legehennen und Mastpoulets auf dem Hof geschlachtet.

Das neue Projekt von KAGfreiland und FiBL

Die Hofschlachtung von Geflügel ist in der Schweiz noch ein eher unbekanntes Angebot und muss sich noch etablieren. KAGfreiland und das FiBL wollen in einem gemeinsamen Projekt diese schonende Schlachtmethode untersuchen und fördern. Dazu werden sowohl mobile als auch nicht-mobile Hofschlachtungsmethoden wissenschaftlich evaluiert. Der Fokus liegt dabei auf Stressfaktoren. Anhand der Auswertungen werden allenfalls die Schlachtprozesse optimiert und damit das Tierwohl verbessert. Weiter soll auch das Tierwohl während des Ausstallens gefördert werden. Dazu werden schonende Ausstallmethoden gemeinsam mit LandwirtInnen erarbeitet. Die Methoden werden schliesslich in der Praxis getestet. Die optimierten Methoden sollen helfen, den Stress beim Ausstallen zu verbessern. Nur wenn der Absatz und eine Nachfrage für das Fleisch vorhanden sind, kann vermehrt Geflügel hofgeschlachtet werden. Daher werden im Projekt mögliche Absatzkanäle aufgebaut, um die Vermarktung von Geflügelfleisch aus Hofschlachtung zu fördern. Der Absatz von Hennen-Fleisch wird ebenfalls unterstützt, damit mehr Legehennen hofgeschlachtet und als Nahrungsmittel verwertet werden können. Zudem werden KonsumentInnen durch Öffentlichkeitsarbeit über diese stressarme Schlachtmethode und deren Vorteile aufgeklärt. Die gewonnen Erkenntnisse aus dem Projekt werden unter LandwirtInnen und MetzgerInnen geteilt, damit sich die Hofschlachtung von Geflügel in der Schweiz verbreiten kann. KAGfreiland ist überzeugt, dass mit dem Projekt ein bedeutender Mehrwert für das Tierwohl geschaffen wird.

Unterwegs mit dem Geflügelschlachtmobil

Interview

Seit letzten September sind Marcel Lusti, Inhaber der Firma Rundumgrün GmbH und sein Mitarbeiter Robin Zimmer in elf Deutschschweizer Kantonen mit dem Geflügelschlachtmobil unterwegs, um direkt auf dem Hof zu schlachten.

Marcel Lusti ist Pächter des Bio-Betriebs Leimbihof in Zürich mit 1000 Legehennen und 45 Milchkühen. Anstatt die ausgedienten Legehennen zu entsorgen, liess er sie immer schlachten um das Fleisch zu verwerten. Er sieht Potenzial im Legehennen-Fleisch und auch die Nachfrage danach sei durchaus da. Sein Mitarbeiter Robin Zimmer ist Inhaber der deutschen Firma MZM (ehemals Rowa), welche Geflügelschlachtmobile vertreibt. Mit seiner Firma Rundumgrün GmbH hat Marcel Lusti die Schweizer Generalvertretung dieser Firma, hat ein eigenes Schlachtmobil und die beiden sind nun regelmässig unterwegs um Geflügel direkt auf dem Hof zu schlachten. Zwei Drittel der hofgeschlachteten Hühner sind Legehennen, ein Drittel Mastpoulets.

Marcel Lusti, wie läuft eine solche Hofschlachtung vom Geflügel genau ab?

Mit unserem Geflügelschlachtmobil können wir bis 700 Hühner am Tag schlachten. Auf dem Hof brauchen wir eine gerade Fläche fürs Schlachtmobil, Wasser und zwei Stromanschlüsse. Wir kommen morgens auf dem Hof an und richten uns ein. Die Transportkisten für die Hühner bringen wir mit. Der Bauer und ein bis zwei Helfer sammeln die Hühner ein, aber nicht alle zusammen, sondern nur immer ein paar aufs Mal. So entstehen für die Hühner, anders als bei der normalen Ausstallung, keine langen Wartezeiten in der engen Transportkiste. Danach wird das Huhn betäubt und es folgt der Entblutungsschnitt. Nach dem Ausbluten kommt das tote Huhn in einen Rotationsbrühkessel mit 63 Grad warmen Wasser, damit sich die Federn besser lösen. Die nächste Station ist die Rupfmaschine, dort lösen sich die Federn ganz ab. Das Huhn ist danach sauber und federlos.

Unser Schlachtmobil hat zwei Räume. Im zweiten Raum, dem Hygieneraum, wird der Kopf entfernt, der Schlachtkörper eröffnet, ausgeweidet, ausgewaschen und abgetropft. Wenige Minuten später kommen immer zehn Schlachtkörper zusammen in einer Metzgerkiste in unser Kühlauto zum Auskühlen. Wenn dann alle Schlachtkörper kalt sind, werden sie entweder vom Bauer selber weiterverarbeitet oder zu einem Metzger gebracht.

Aus welchen Gründen entscheiden sich Landwirtschaftsbetriebe für die mobile Geflügelschlachtung?

Tendenziell sind es Betriebe, welche jetzt schon Direktvermarktung betreiben. So spart sich der Bauer den Weg zum Schlachtbetrieb. Hauptsächlich geht es aber ums Tierwohl, es sind ethische Gründe: man will dem Tier den Transport ersparen und ausgediente Legehennen nicht entsorgen, sondern ihr Fleisch verwerten. Zudem kann so der Bauer sicher sein, dass er das Fleisch seiner eigenen Tiere wiedererhält.

Welche Kosten entstehen für einen Betrieb, wenn sie euch für die mobile Hühnerschlachtung engagieren?

Das Schlachten des Huhns kostet Fr. 4.50, das Poulet Fr. 3.60. Das ist zirka 1 bis 1.50 Franken mehr pro Huhn als im Schlachtbetrieb. Es ist immer gleich teuer, egal ob wir 100 oder 1000 Hühner vor Ort schlachten. Dazu kommen noch die Anfahrtskilometer und eine Waschpauschale von 200 Franken.

Was braucht es für eine Ausbildung, um mobile Hühnerschlachtungen durchführen zu können? Könnte das theoretisch jeder Landwirt selber machen?

Ja, wir mussten einen Kurs beim Aviforum (übers Hühner-Töten) absolvieren sowie einen zusätzlichen zweitägigen Theoriekurs und 20 Stunden Praxiserfahrung sammeln in einem Geflügelschlachtbetrieb. Theoretisch könnte jeder Landwirt diese Ausbildung machen. Mobile Geflügelschlachtung darf man nur mit Bewilligung vom Kanton durchführen, die Bewilligung läuft über das Schlachtmobil.

Was braucht es, damit noch mehr Betriebe auf die mobile Geflügelschlachtung umstellen?

Die Einsicht, dass das Suppenhuhn resp. die Legehenne Potenzial hat und die Nachfrage durchaus da ist. Es macht Sinn, Althennen in die menschliche Ernährung miteinzubauen anstatt sie zu vergasen. Viele LandwirtInnen teilen unterdessen diese Ansicht. Die Nachfrage nach der mobilen Geflügelschlachtung auf dem Hof wird immer grösser.

(Fotos: Rundumgrün GmbH)